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Abgeschlossenes Projekt: Beloved - Hund im Alter

Das Projekt "Beloved"

Diese longitudinale Studie fand im Rahmen der Forschung zur Dynamik gesunden Alterns in den Jahren 2018-2022 an der Universität Zürich statt. Im Zentrum stand die Fragestellung, ob ältere (alleinstehende) Menschen vom Zusammenleben mit einem Hund profitieren. In Zeiten des demographischen Wandels stehen wir als Gesellschaft vor riesigen Herausforderungen. Der Anteil von Senior:innen in unserer Mitte wird immer grösser und wir brauchen auf vielen Ebenen kreative Lösungen, um diesen Wandel zu vollziehen. Je länger ältere Menschen in ihren eigenen vier Wänden wohnen können, desto weniger Druck entsteht im Hinblick auf die Bereitstellung von Alten- und Pflegeheimen und Senirorenresidenzen. Doch was hilft einem älteren Menschen, die körperliche und geistige Fitness so lange wie möglich aufrechtzuerhalten? Natürlich empfehlen sich in diesem Zusammenhang viele Möglichkeiten. Ein erfülltes Leben mit vielen Aktivitäten in einer grossen Familie ist sicher eine gute Option. Doch für wieviele Senior:innen ist das heute noch Realität? Kann ein kommunikatives und sozial komplexes Haustier, also ein Hund, eine hilfreiche Alternative sein? Bringt ein Hund ausreichend Struktur, körperliche, geistige und soziale Betätigung in das Leben älterer Mitbürger:innen? Auf diese Frage sollte unsere Studie Antworten finden.

An dieser Stelle möchte ich meinen Team-Mitarbeiter:innen danken. Mein aufrichtiger Dank gilt Cindy Kündig, Eva Deutschmann, Franziska Knobel, Aline Rüttimann, Philip Aruliah sowie im Besonderen Elena Mayorova.

Vorgeschichte des Projekts "Beloved"

Der grosse Vorteil, als Forscher an einer öffentlichen Universität tätig zu sein, ist das Privileg der Freiheit von Forschung und Lehre. Diese Freiheit ermöglich uns, Ideen zu entwickeln und umzusetzen, die unter Umständen die Grenzen unseres Forschungsfelds passieren und neue Territorien erschliessen. Als Grundlagenforscher, der sich für die neurale Basis der Sprache-Gehirn Beziehung interessiert, ist es sicher nicht die nächstliegende Idee, sich der Frage zu widmen, ob man als älterer Mensch vom Zusammenleben mit einem Hund profitiert. Aber genau das habe ich gemacht. Wie kam es dazu?

Wer die Evolution von Sprache untersucht, kommt auch automatisch mit dem Thema der Tierkommunikation zu tun. Tiere sprechen nicht. Sie kommunizieren miteinander und untereinander, zum Teil über die Grenzen ihrer Spezies hinweg. Kein Tier aber hat die Kommunikation mit der menschlichen Spezies so weit entwickelt wie der Hund (canis familiaris). Viele Menschen, die ihr Leben mit einem Hund teilen, berichten von erstaunlichen kognitiven, sozialen und kommunikativen Fähigkeiten ihrer vierpfotigen Kaltnasen. Es spielt dabei kaum eine gravierende Rolle, ob dieser Austausch durch Blicke, Körperwendungen, akustische Signale und andere Verhaltensweisen realisiert und angewandt wird. Es gibt keinen Zweifel. Es funktioniert. Mein Hund versteht mich und ich verstehe meinen Hund (auch wenn wir beide manchmal vorgeben, den anderen nicht zu verstehen, um Interessenkonflikten vorzubeugen).

Auf vielen langen Spaziergängen mit Rumo (Labrador-Retriever Rüde, Jahrgang 2011) habe ich  unzählige Begegnungen mit den unterschiedlichsten Menschen gehabt. Daraus sind langlebige Bekannt- und Freundschaften geworden.

Besonders berührt haben mich Begegnungen mit älteren Menschen (in oder ohne Begleiter eines Hundes), die in der Natur spazierengingen und das Aufeinandertreffen mit meinem Hund und mir für eine kurze (oder auch längere)  Unterhaltung nutzten. Oftmals glichen sich die Geschichten, die ich zu hören bekam. Zum einen erzählten diese älteren Menschen davon, wieviel Lebensqualität sie dem Zusammenleben mit ihrem Hund verdanken. Ein Hund gibt ihnen eine Tagesstruktur, eine Aufgabe, zwingt sie zu Bewegung und Aktivität und ist eine stetige Quelle von Liebe und Freude. Manchmal war der Hund auch zur Stelle, um nach dem Verlust des Lebenspartners den Weg in den neuen Lebensabschnitt als Hinterbliebene(r) zu erleichtern. Zum anderen trafen wir oft auf ältere, alleinstehende Personen, die von ihrem grossen Wunsch erzählten, einen Hund bei sich aufzunehmen. Doch für diese Menschen türmten sich (scheinbar) unüberwindbare Hürden und Fragen auf. Darf ich einen Hund in meiner Wohnung halten? Kann ich mir die Ausgaben für Futter, Pflege und Tierarztkosten leisten? Wo kann ich den Hund unterbringen, wenn ich einmal verreise oder sogar ins Spital muss? Wo und wie bekomme ich einen Hund, der zu mir passt? Gibt es Hundeschulen und -kurse, die auch für die speziellen Bedürfnisse von Seniorinnen und Senioren ausgelegt sind?  Wer versorgt den Hund, wenn ich krank bin oder sogar sterbe? Kann ich damit umgehen, wenn das Tier dann vor alt wird und stirbt? 

Diese Erlebnisse brachten mich dazu, über ein Projekt nachzudenken, dass sich diesem komplexen Thema systematisch annehmen sollte. Das war die Geburtsstunde von BELOVED, das ich zusammen mit vielen Helfer:innen über den Zeitraum von einigen Jahren (sogar während der Corona-Pandemie) durchführen könnte. Wir hoffen, dass dieses Projekt nicht nur eine Vorgeschichte, sondern auch eine Zukunft hat und möglichst viele Senior:innen auch künftig von den Resultaten und den daraus entstandenen Ergebnissen profitieren.

 

Ziele der Studie

Das Projekt Beloved war eine längsschnittliche Beobachtungsstudie, die über einen Zeitraum von sechs Monaten durchgeführt wurde. Das Ziel war die Untersuchung der Effekte des Zusammenlebens mit einem Hund auf psychische, soziale und physische Parameter der menschlichen Teilnehmenden, die sich ausnahmlos aus (allein lebenden) Senioren und Seniorinnen zusammensetzten.  Die Studie war aus ethischen und juristischen Gründen nicht als Interventionsstudie geplant und durchgeführt worden. Demnach begleitete das Forscherteam die Teilnehmenden lediglich beobachtend während der ersten Zeit des Zusammenlebens mit einem Hund. Auf die Wahl des Hundes nahm das Team ebensowenig Einfluss wie auf Training und Erziehung der Tiere.

Während sechs Monaten füllten die Teilnehmenden regelmässig etablierte und standardisierte Fragebögen aus. Sie dokumentierten ihre Erfahrungen, sozialen und physischen Aktivitäten sowie das Erleben im Alltag mit dem Hund. Selbstverständlich wurden nicht nur die positiven, sondern auch die negativen Aspekte im Zusammenleben der Mensch-Hund Dyaden dokumentiert und ausgewertet.  Die Ergebnisse des Projekts mündeten in einen ausführlichen wissenschaftlichen Bericht sowie eine Wegleitung für Senior:innen, die wichtige Informationen und Erkenntnisse für ein harmonisches und gelungenes Zusammenleben zusammenfasst. Beide Dokumente werden in Kürze auf dieser Internetseite verfügbar sein.

Resultate

Die Ergebnisse weisen auf einen Zusammenhang der Hundehaltung und dem subjektiv berichteten psychischen und sozialen Wohlbefinden hin. Es zeigten sich positive Effekte der Hundehaltung: Zum einen manifestierte sich eine Verbesserung des psychischen Wohlbefindens und zum anderen zeigte sich ein positiver Trend bezüglich der Verringerung der Einsamkeit Hundehalter:innen im Gegensatz über den Zeitraum eines Halbjahres, insbesondere zu späteren Befragungszeitpunkten. Bezüglich des physischen Wohlbefindens wurden keine unmittelbaren Auswirkungen der Hundehaltung festgestellt. Allerdings zeigt die Studie, dass es im Laufe der Zeit allmählich  zu einer Zunahme des physischen Wohlbefindens der Hundehalter:innen kam. Interessanterweise fanden sich keine signikanten Belege für eine Veränderung des Sozialverhaltens in zu mehr Kontakten und Aktivitäten mit anderen Hundehalter:innen oder Menschen ohne Hund. Des Weiteren wurde zum letzten Befragungszeitpunkt in der Hundegruppe ein negativer Effekt der wahrgenommenen Kosten und Belastungen, die durch den Hund entstehen, auf das psychische Wohlbefinden beobachtet. Dies deutet darauf hin, dass die Vorteile der Hundehaltung auch mit Herausforderungen verbunden sein können, die das Wohlbefinden beeinträchtigen.

Weitere Implikationen: Durch die Zusammenarbeit mit unseren Teilnehmenden ergaben sich weitere viele interessante Themen rund um die Hundehaltung im Seniorenalter, die in unserer Studie keine explizite Berücksichtungen erfuhren. In Zukunft sollten vermehrt Längsschnittstudien zur weiteren Untersuchung der Wirkung der dauerhaften Hundehaltung auf das Wohlbefinden älterer Menschen unter Berücksichtigung verschiedener Einflussfaktoren wie der Wohnsituation und des Familienstandes durchgeführt werden.

Wie weiter?

Wir denken, dass unsere Studie das Potential hat, einen wichtigen Beitrag zur Forschung rund um das gesunde Altern zu leisten. 

Wie es nun weitergeht wird primär von der Resonanz von Beloved abhängen. Wir hoffen, dass möglichst viele Senior:innen Kenntnis von unserer Wegleitung und von den Resultaten nehmen und sich für ein Zusammenleben mit einem Hund entscheiden, nachdem sie sich und ihre Wohnumgebung und ihre gesamte Lebenssituation einer kritischen Prüfung unterzogen und ein hoffentlich positive  Antwortauf die wichtigste Frage gefunden haben werden: "Kann ich einem hoch komplexen und sozialen Wesen wie einem Hund eine artgerechte Haltung bieten, die Wohl und Würde von Hund und Halter:in garantieren?"

Darüber hinaus hoffen wir auf viele Diskussion und Entwicklungen, die das enorme Potential des Zusammenlebens von Mensch(en) und Hund(en) in unserer immer älter werdenden Gesellschaft erkennen und nützen.

Themen wie öffentliche Begegnungsräume für ältere Hundehalter:innen, Hundeschule für Senior:innen, die Schaffung von Strukturen, innerhalb derer ehrenamtlich arbeitende Senior:innen mit Hunden Alters- und Pflegeheime besuchen sind einige von zahllosen Themen, die in diesem Kontext diskutiert und umgesetzt werden könnten, um zur mentalen und körperlichen Gesundheit einer immer älter werdenden Bevölkerung im Kanton Zürich und darüber hinaus beitragen könnten. In Zeiten einer immer höheren Lebenserwartung bei gleichzeitig zunehmend zerfasernder Familienstrukturen sind Haustiere, insbesondere Hunde, geeignete Begleiter im Alltag, um Einsamkeit und Altersträgheit   zu reduzieren und das selbstbestimmte Wohnen in den eigenen vier Wänden so lange wie möglich zu stabilisieren.

Zu dieser Diskussion sind auch Politik, Hochschulen, Medien und andere gesellschaftliche Vereine und Verbände eingeladen. Vor Eurer Resonanz hängt es nicht zuletzt ab, ob dieses Projekt eine Fortsetzung erfährt.

Projektteam

Das Projekt wurde von Prof. Dr. Alexandra M. Freund und Prof. Dr. Martin Meyer geleitet. Es war in den Forschungsschwerpunkt zur Entwicklung über die Lebensspanne an der Universität Zürich eingebettet.

Ohne den unermüdlichen Einsatz Teams, namenlich Cindy Kündig, Eva Deutschmann, Franziska Knobel, Aline Rüttimann, Philip Aruliah sowie Elena Mayorova als auch der Sponsoren wäre Beloved nicht möglich gewesen.

Besonderde Erwähnung gebührt Rumo, dem Hund, ohne dessen Leben und Wirken dieses Projekt nie enstanden wäre.

Hinweis

Diese Seite wurde im Auftrag des Projektleiters erstellt und diente der Information und Archivierung. Die Inhalte basierten auf den Angaben des Forschungsteams.

Erlebnisbericht aus Sicht einer Studienteilnehmerin

Was solch ein Vierbeiner doch bewirken kann!

Als leidenschaftliche Berggängerin und Skifahrerin traf mich wie aus heiterem Himmel die Diagnose: Degenerativer Muskelschwund. Betroffen sind vorerst die Rückenmuskeln. Das hiess nun also plötzlich: Ade, geliebtes Skifahren, ade geliebtes Bergwandern, ade geliebtes Schwimmen.

Doch wie schön: So wunderbar vieles ist mir geblieben: Alle die guten Erinnerungen – und, was für mich besonders kostbar ist: das Zusammensein mit meinem Vierbeiner.

Ja, mein Hund schenkt mir täglich so viel Lachen. Er lockt mich hinaus ins Freie, er will mit mir spielen, er will sich tummeln, durchs hohe Gras „hoppeln“, durch die Wiesen sausen. Das alles kann er weiterhin, wenn ich mich mit ihm in der freien Natur bewege, und das tu ich meinem kleinen Freund zuliebe sooft es mir möglich ist. So schenkt er auch mir viele wunderbare Naturerlebnisse, viel frische Luft, viel Sonnenschein, einfach dadurch dass er mich rauslockt, mich voller Lebensfreude begleitet, egal wie langsam ich mich nur noch bewegen kann, wie langsam ich mit den Stärken noch voran komme, wie oft ich mich zwischendurch ausruhen muss. Ja, so unendlich viel verdanke ich meinem vierbeinigen Begleiter !

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